Nachtspaziergang

Er hatte keine Lust mehr auf die Feier. Es war eine dieser typischen Feierlichkeiten, die manche veranstalteten, nur weil sie älter geworden waren. Er hatte es nie verstanden warum man das Älterwerden schön findet. Wenn man älter wird, so dachte er, dann nähert man sich dem Tod, das ist unausweichlich. Also, warum die Nähe zum Tod feiern. Das man geboren war, dafür konnte man ja ohnehin nichts. Das hatten die beiden beschlossen, die seine Eltern waren. Vielleicht war es auch nur ein Versehen gewesen. Also ein Versehen zu feiern, auch dafür könnte es doch keinen Anlass geben. 

Er nahm seinen Hund, legte ihm die Halsung an. Es war eine schöne Lederarbeit einer guten Freundin von ihm. Es schmiegte sich dem Hals seines Hundes wunderbar an. Sein Hund mochte keine Halsbänder, welcher Hund mag das schon, aber bei diesem Halsband machte er eine Ausnahme. Er nahm die Leine mit dem Messingkarabinerhaken und stellte die Verbindung zu seinem Hund her. 

Die Menschen auf der Feier, sie bedeuteten ihm nicht viel. Flüchtige Gespräche. Seine Gedanken gingen oft in eine andere Richtung, immer wieder dachte er an andere Dinge. Er sah seinen Hund an. Sein Hund war immer da, er mochte seine Stimmungen erfassen oder auch nicht. Er konnte sich an keinen Tag erinnern, an dem er nicht bei ihm gewesen war. Selbst wenn er zum Friseur ging, war er da. Dann lag er unmittelbar neben dem Lederstuhl in dem er während der Rasur saß.

Sie nahmen den etwa drei Kilometer langen Weg über ein paar Feldwege. Der Weg war mit kleinen Bruchsteinen gefüllt worden und man konnte gut auf ihm gehen. Es war September und der Mond war hell, obwohl er schon im abnehmenden Status war. Der Weg wurde von einem Maisfeld auf der rechten Seite und einer Buchenhecke auf der anderen Seite gesäumt. Der Mais war ungefähr drei Meter hoch und er hatte das Gefühl durch einen Tunnel zu gehen. Unwillkürlich dachte er an einen von vorne kommenden Zug, dem er nie würde ausweichen können. 

Er hörte die Fledermäuse um ihn herumfliegen und aus der Ferne drangen die Schreie einer Eule zu ihm herüber. Jetzt jagen sie, sagte er zu seinem Hund, sie finden ihre Beute, und ihre Beute weiß das sie da sind. Er hatte keine Angst. Es gab nichts, was ihm Angst machen könnte. Nach einigen hundert Metern musste er eine breite Straße überqueren. Um diese Zeit fuhren kaum Autos und sie gingen einfach rüber. 

Der Weg fügte sie weiter an abgeerntete Felder vorbei. Im Mondlicht sahen die hohen Eichen, von dem der Weg bestimmt war, gespenstisch aus. Sie waren gewiss an die dreißig Meter hoch. Sein Hund hielt an den verschiedensten Stellen an und erschnüffelte sich seine Welt. Du hast es gut, dachte er, du kennst kein morgen, kein Gestern, für dich gibt es nur die Gegenwart, das Jetzt und Hier. Aber du hast etwas, was ich bei den Menschen so vermisse. Du hast Vertrauen, du gehst jeden Weg mit mir, du vertraust mir immer, du fragst nicht nach warum, bist einfach da. 

Mittlerweile war Nebel aufgekommen, er lag wie ein Schleier im Mondlicht auf den Feldern. Die kalte Luft füllte seine Lungen. Jetzt im Nebel war die Luft feucht. Es roch nach Gras und nach vermodertem Holz. Seine Sinne waren geschärft. Nach etwa hundert Meter kamen sie an eine Pferdewiese vorbei. Er konnte die Pferde im Nebel hören. Sie schnaubten und trabten durch das nasse frische grüne Gras. Er sah jetzt schemenhaft die Pferde auf ihn zukommen. Sein Hund verhielt sich ganz ruhig, stand ganz still, die Rute stand aufrecht und rührte sich nicht. Langsam kamen die Pferde näher. Sie standen jetzt ganz nah an der Umzäunung und er streckte die Hand aus. Eine braune Fuchsstute legte ihre weichen Nüstern auf seine Hand. Er hielt den Atem an. In diesem Moment stand die Welt für ihn still. 

Plötzlich bellte sein Hund, er musste sich erschrocken haben. Die Pferde stiebten im Galopp davon, weiter in den immer dichter werdenden Nebel. Zum Schluss konnte er nur noch das dumpfe Geräusch ihrer Hufe hören. Dann umschloss sie der Nebel fast vollends. Die Pferde waren jetzt verschwunden. Er atmete ein paar mal tief ein und wieder aus, nahm die Leine in die Hand und sie gingen den Weg weiter. Er konnte im Nebel kaum noch den Weg erkennen. Am Ende des Weges waren jetzt die Lichter der Siedlung zu sehen. Dort saßen Menschen vor den Fernsehern und hatten keine Ahnung von dem was er erlebt hatte.  Noch ein paar hundert Meter und sie waren zu Hause.

Jann-B. Webermann 2019

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Schlaf

Nacht

Schattengleich lieg ich da

Zwischen Traum und Wach

Lässt mich nicht gehen

Lässt mich nicht verstehen

Licht der Sterne

Reichen nicht zum Leben 

Der Tag graut

Mich auch vor ihm?

Sonne erster Strahl

Bringt mich zurück 

In die Welt

Verlassen liegt nun sie

Die Schattenwelt 

Jeden Tag 

Jede Woche 

Jeden Monat 

Jedes Jahr 

Schlaf 

Bruder des Todes

Auf dem Gedankenstrom

Entgegen der Vergangenheit
Dem Gedankenstrom,
Treibend
Voller Heiterkeit.

Gedanken die vorüberziehen
Wünsche die blieben,
Vieles mir nicht verziehen.

Träume
Alle geträumt,
Nichts versäumt.

Alles
Nochmals so,
Nur so
Des Lebens froh.

Zuversicht
Mich nichts anficht,
Alles kommt von dort
Nichts geht mehr fort.

Jann-B. Webermann 19. Oktober 2017

Wütend / Fauchend

Deine kalten Hände 

Deine nassen Hände

Nach mir greifend

Über uns nur

Sterneglitzern.

Schäumend 

Versuchst

Mich zur dir

Zu ziehen. 

Abwartend 

Stehe ich 

Dir gegenüber 

Dein Brüllen

Meine Ohren. 

Am Morgen 

Verwandelt

Liegst du

Sanftes Lächeln 

Lockend flüsternd

Zu mir.

Ich gehe 

Zu dir bis

Du mich ganz 

Umschließt. 

Mein Vertrauen 

Grenzenlos 

Du trägst mich

Ich gehöre 

Zu dir. 

Du mein Meer.

Jann-B. Webermann 02. Oktober 2017

Alles

Alles träumen

Nichts versäumen

Alles geben

Nach dem Guten streben

Alles verstehen

Auf nichts bestehen

Träum vom Morgen

Ein Tag ohne Sorgen

Sonne wärmt meine Haut

Weiß nicht wie es darunter ausschaut

Ein Strahl trifft mein Herz

Ich fühle keinen Schmerz

Jann-B. Webermann 01. November 2017

Nach dem Regen

Am frühen Morgen barfuß über den nassen Rasen tanzen.

Die frische, kühle Luft in die Lungen strömen lassen. Die Stille des Morgens beim ersten Spaziergang mit dem Hund erleben. Der Weg, er führt entlang am satten in Tau gelegtem Grün hinein in das strahlende Licht der reflektierenden Wassertropfen. Die Sonne findet ihren Weg durch das dichte Blattwerk der Bäume. Von Ferne rauscht das Wasser am großen Teich in die Gräben. Der Tag kann kommen.

Abendstunden

Wenn der Tag zur Ruhe geht,

Dann sind auch die Sorgen verweht.

Nebel liegt in der Luft,

Der Wald ist voller Duft.

Still wird es rundherum,

Gedanken treiben mich nicht mehr um.

Ein Vogel ruft noch spät,

Ich frag mich wie‘s ihm geht.

Das Licht entschwindet leise,

Komm mit auf die Reise.

Die Blätter fallen von den Bäumen,

Bitte, lass mich weiter träumen.

Dämmerung

In der Dämmerung treffen Sie sich: 

die Freunde des Tages, die Freunde der Nacht. 

Stille schließt mich ein. 

Das Gehör ist geschärft. 

Die Farben sind verblasst 

Diffuses Licht umgibt mich. 

Jedes Geräusch hält mich wach.

Die Jäger machen sich auf.

Die Gejagten suchen Schutz. 

Der nächste Tag wird zeigen wer gewonnen hat. 

So geht es Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr.

Ein Reiher durchbricht den Schatten des Sees. 

Ein Fuchs schleicht durch das Unterholz.

Igel rascheln im Laub.

Enten schnattern fröhlich daher. Sie erfreuen sich ihres Lebens.

Begegnung

Still ist es am frühen Morgen. Tau liegt auf den Wiesen. Die Sonne scheint in einem warmen Ton von Gelb und Orange. Die kalte Luft des Morgens füllt meine Lunge. In weiter Ferne höre ich das Krächzen der Raben. Unter meinen Füßen knirscht der feuchte Kies. Mein Hund läuft über einen Teppich von Laub, schnuppert hier und da. Ich bleibe einen Moment stehen und schau ihm zu. Voll und ganz lebt er im hier und jetzt. Er kennt kein gestern und weiß nicht, dass es ein Morgen geben wird. 

Aus dem Dickicht des Waldes springt ein Reh über ein frisch gepflügtes Feld. In weiten ausladenden Sprüngen überquert es den Acker. Feiner, leichter Staub wirbelt auf. Dann, ganz unvermittelt, bleibt es stehen und schaut uns an. Mein Hund, hellwach, eine Pfote angehoben. schaut gebannt auf die Szene. Ganz intensiv erleben wir diesen Moment. Die Sonne steht im Hintergrund, das Reh schaut uns an, aus den Nüstern steigt der Atem empor und ich wünsche mir, dass dieser Moment ewig so bleiben möge.

Drüben

Kalt umschließt mich der Nebel des frühen Tages 

Hoffnungen erahn ich in der Ferne 

Noch fühle ich nur etwas vages

Die Zukunft ist das Versprechen der Sterne 

Der Vorhang des Lebens, wie ein Schleier 

doch erkenn ich den Weg durch ihn hindurch

Die Lieder des Lebens sind wie eine Leier 

Doch singe ich sie in einem durch

Jann-B. Webermann 06. Januar 2017